Robert Stephan Bolli

Stadtpark Leonberg (D)

Wie schon im Oeschberg-Artikel (Seite 36) erwähnt, jährt sich mein Diplomabschluss an der Kantonalen Fachschule für Garten-, Landschafts- und Obstbau GSO, in Oeschberg/Koppigen (BE), heuer zum 40sten Mal. Anlass genug, um wieder einmal im Archiv zu stöbern, im Jahrbuch von 1984 meinen Artikel über den Stadtpark von Leonberg herauszusuchen und meine Schreiberei von damals hier zum Besten zu geben. Aber zuerst einmal eine kurze Einführung:

Studienreise Fachschule GSO 1983

Wir Schüler der Fachrichtungen Baumschule/Stauden, Produktion und Landschaft hatten im Rahmen des Deutschunterrichtes den Auftrag, in Gruppen eine Reise und Fachdokumentationen zusammenzustellen. Verschiedene Themen wurden uns zur Bearbeitung vorgeschlagen. Eine kleine Auswahl dieser Erlebnisberichte wurde im Jahrbuch GSO 1984 wiedergegeben. Unsere Gruppe  Baumschule/Stauden und Landschaft wurde vom vorzüglichen Chauffeur der ehemaligen Firma Dähler Carreisen durch den Schwarzwald über Tübingen nach Stuttgart gefahren, wo der erste Besuch dem botanisch-zoologischen Garten Wilhelma galt. Am anderen Tag wurden wir durch Professor Hans Luz in die Grüne Stadtmitte von Leonberg geführt. Und es war eben mein Thema, die damals aktuelle Situation zu beschreiben - und ich bin heute noch stolz darauf, dass mein Bericht als einziger in ganzer Länge abgedruck wurde; das war nämlich alles andere als selbstverständlich. Ach ja, unser Fachlehrer für Gartenbau und Gartentechnik, Martin Mathys, schaute sich bei unserem Besuch auf der Baustelle des künftigen Stadtparks verzweifelt nach einem Schüler um, der sich mit einer Schreibtafel ausgerüstet, eifrig Notizen machen würde. (Er wusste nicht mehr, wer den Auftrag für den Bericht erhalten hatte). Und mir war eben nicht anzusehen, dass ich mir meine Notizen fortwährend im Kopf abgespeichert hatte. Dafür machte ich eifrig Diapositive, die heute noch vorhanden sind.  Aber jetzt geht's hier los:

Der neue Stadtpark von Leonberg

Leonberg liegt etwa 15 km westlich von Stuttgart und zählt 28'000 Einwohner. Sehenswert ist der Stadtkern mit zahlreichen historischen Gebäuden, das Schloss aus dem 16. Jahrhundert und der berühmte Pomeranzengarten. Leonberg gehört zu jenen deutschen Städten, welche während der Hochkonjunkturphase so ziemlich planlos die Landschaften zu überwuchern begann. Erst in den letzten Jahren haben die Behörden einen Zonenplan ausgearbeitet, der die (noch) rege Bautätigkeit zügeln soll. Dieser Plan beinhaltet zudem das Konzept für ein sehr grosszügig angelegtes Stadtzentrum, mit einer Stadthalle für politische und kulturelle Anlässe und einer Realschule - beides im Bau befindlich. Ferner ist noch ein Hotel, eine Sonderschule und ein Kindergarten geplant. Diese Baukörper werden in einem zirka 1 ha grossen Stadtpark miteinbezogen, der teilweise bereits fertig angelegt ist.

 

Das Vorhandensein eines ausgedienten Gipsbruches inmitten dieser Zone darf heute als "glücklicher Zufall" betrachtet werden, denn dieser anerbot sich in fast idealer Weise zur Umgestaltung in eine innerstädtische Grünanlage mit natürlichem Charakter. Ursprünglich bestand der Steinbruch aus einem nahezu rechteckigen Loch mit Seitenlängen von etwa 75 x 50 Metern und einer durchschnittlichen Tiefe von 10 Metern. Die Felswände fallen zum Teil senkrecht gegen den Grund, auf dem sich mittlerweile ein ansehnlicher Regenwassersee gebildet hat.

Es war denn auch ein Anliegen von Planer Prof. H. Luz und Partner, aus den natürlichen Elementen Wasser und Fels eine gestalterische Eigenart herauszuarbeiten. In der ersten Bauetappe wurden die West- und Teile der Nordseite eingeebnet und so eine weitläufige Wiesenmulde geschaffen, welche die Stadthalle mit dem Park verbindet. Rollstuhlgerechte Hauptwege mit Anschlüssen an das bestehende Wegnetz dienen der Haupterschliessung, während Nebenwege zu den Aufenthaltsbereichen führen (Grillplatz, Aktivitäteninsel u. s. w.). Gleichzeitig nahm man die Modellierung der Seeufer und der Inselchen vor. Die Uferpartien wurden sehr flach gestaltet. Die tiefste Stelle misst denn auch nur 1,50 m. Das Wasser gab den Planern jedoch schon bald zu denken: Da noch keine Wasserpflanzen für eine ausgeglichene Sauerstoffanreicherung sorgen, beginnt es zu faulen und verbreitet dabei einen eher unangenehmen Geruch. Um diesen Mangel zu beheben, musste also eine Umwälzpumpanlage eingebaut werden. Prof. Luz liess sich hierfür einen speziellen "Gag" einfallen: Kurzerhand wurde ein zirka zehn Meter hoher Hügel Vulkankegelartig aufgeschüttet. Auf diesen wird nun das Wasser hinaufgepumpt und fliesst, über zahlreiche Kaskaden stürzend, wieder in den See zurück. Um den zerstörerischen Kräften des fallenden Wassers entgegenzuwirken, wurden für die Gestaltung der Bachläufe und Wasserfälle nebst Kalksteinblöcken viel Beton (sandgestrahlt) verwendet. Es ist jedoch anzunehmen, dass diese Fremdkörper bald einmal von Moos und Algen überwuchert werden. Kostenpunkt für diese eher unkonventionelle Wasseraufbereitung: 1 Mio. Mark!

Ein spiralförmig angelegter Weg, mit Natursteinen gepflästert, führt auf eine Art Aussichts-Plattform auf dem Hügel. Dieser Teil der Anlage präsentiert sich heute in fertig-begrüntem Zustand, während die übrigen Geländeteile erst rohplaniert sind. Bisher aufgewendete Summe für Planiearbeiten: 400'000 DM. Kritik eines Leonbergers: "Es wurde zu viel planiert und umgeformt. Die Kinder hatten früher viel mehr Spiel- und Klettermöglichkeiten. Im See wird bestimmt auch niemand baden, der stinkt trotz der Umwälzpumpe weiter. Und was das alles kostet; für die Bepflanzung haben sie nachher sicher kein Geld mehr!" Die zuletzt genannte Kritik scheint am ehesten berechtigt zu sein, weil die ebenfalls Millionen verschlingende Mehrzweck-Stadthalle gegen den Willen der Leonberger Bürger gebaut wird. Grund: Als die Abstimmungsvorlage endlich vors Volk kam, war das Gebäude im Rohbau bereits fertiggestellt. Trotzdem ist es zu bezweifeln, dass den Leonbergern das nötige Kleingeld ausgeht; ein weiterer Kredit von 400'000 DM ist bereits zugesichert worden!

Die zweite Bauetappe umfasst das Anlegen von weiteren Hauptwegen, u. a. ein rundumführender Weg der Steinbruchkante entlang mit bastionsartigen Aussichtsterrassen. Weitere Sitz- und Aufenthaltsplätze an Ufer- und Hangzonen werden angelegt. Die obere Steinbruchkante wird entschärft und durch einen Schutzzaun und Bepflanzung abgesichert. Die Steilhänge werden durch Hydrosaat und Bepflanzung vor Erosion geschützt.

Ein wesentliches Detail: Um den Interessen der Hobby-Angler und Naturschützer Rechnung zu tragen, muss der See in zwei Zonen aufgeteilt werden: Eine für Nutzfische und eine als Schutzgebiet für Amphibien (u. a. Wechselkröten). Bekanntlich kommen jene Tiergruppen miteinander nicht so gut aus. Die Trennung soll mit wasserdurchlässigen Steinkörben - im Deutschen "Gabionen" genannt - geschaffen werden, die bis an die Wasserlinie reichen. Hoffentlich gelingt dieses Experiment. Die Schutzzone mit dem angrenzenden Steilhang, welcher im derzeitigen Zustand erhalten bleibt, wird gänzlich gegen Parkbesucher abgesperrt.

 

Bepflanzung: Nach Prof. Luz sollen die den Park umgebenden Strassen als Alleen angelegt werden, teilweise auch nur einseitig bepflanzt. Einzelne Baumgruppen werden markante Punkte setzen, z. B. auf den Hügeln. Eine der dringendsten Aufgaben dürfte das Bepflanzen der rutschgefährdeten Hänge sein. Die Parkplätze bei der Stadthalle werden mit Schutzpflanzungen versehen, und schliesslich sollen die Seeufer und Inselchen mit Gehölzen und Stauden naturnah begrünt werden. Bis die gesamte Anlage soweit fertiggestellt ist, werden wohl noch einige Jahre vergehen, aber man darf heute schon auf das Endergebnis gespannt sein: Leonbergs grüne Stadtmitte.

Anmerkung: ein aktueller Besuch des Parks meinerseits steht noch aus. Die Farbbilder jedoch zeigen die Anlage realitätsnah, also im heutigen aktuellen Zustand. Eine Ausnahme macht das letzte Foto dieser Serie (oben): Es zeigt den Park wohl kurz nach der Fertigstellung, also zirka 1985. (Interessant: ein Vergleich mit dem ersten Bild)

Text: Robert Stephan Bolli; Fotos: div. Autoren und Leonberg Tourismus (sorry, meine Dias von damals habe ich noch nicht auf Festplatte gebeamt!)

Publiziert am 04. Februar 2024

 

 

 

 




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John Opie

John Opie, war ein englischer Künstler, der im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert in London bekanntheit erlangte, aufgrund seiner überwiegenden Portrait- und Historienmalerei. Er wurde am 16. Mai 1761 in St. Agnes (Cornwall) geboren und verstarb am 9. April 1807 in London.

Schlafendes Mädchen, an einen Baum lehnend. (A girl slumbering under a tree in a landscape); Öl auf Leinwand; 127 cm x 101,6 cm; Privatbesitz.

William Henry West Betty; Öl auf Leinwand (1804); 198,5 cm x 149,5 cm; National Portrait Gallery, London

West Betty erlangte bereits als 11-Jähriger nationale Berühmtheit als Jugendschauspieler. Sein Talent für die Darstellung von Freiheitskämpfern und anderen Heldenfiguren galt damals als beispiellos. Seinen Ruhm und seine Erfolge konnte er jedoch nicht wirklich ins Erwachsenenalter übernehmen. Mit 24 Jahren erlebte er während einer Aufführung einen Misserfolg und völlige Blamage. Daraufhin zog er sich gänzlich aus der Schauspielerei zurück. (W. H. W. Betty, auch "der schöne Betty" genannt, wurde am 13. September 1791  in Shrewsbury geboren und verstarb am 24. August 1874 in London.)

 




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Midsommar

Ein Trip in die absolute Beleuchtung

Die Trennung bekommen die US-Studierenden Dani (Floerence Pugh) und Christian (Jack Reynor) nicht so richtig gebacken. Er ist genervt von ihrem andauernden Familiendrama, sie von seiner Empathie- und Gedankenlosigkeit. Christians Freunde, allen voran Dumpfbacke Mark (Will Poulter), drängen ihn: Mach endlich Schluss! Doch bevor er den Absprung schafft, trifft ein unaussprechlich harter Schicksalsschlag Dani - sie verliert ihre gesamte Familie - und Christian hält deshalb zähneknirschend weiter zu ihr.

Die Dudes-Gang verspricht sich Entspannung im schwedischen Sommer; und manche von ihnen potenzielles Material für eine kulturhistorische Dissertation - von einem Trip mit Kumpel Pelle (Vilhelm Blomgren) in dessen schwedischer Heimatkommune. Dort wird alle 90 Jahre ein ganz besonderes Fest zur Sommersonnenwende gefeiert. 

Aber auch hier schafft es Dani, sich irgendwie reinzumogeln, worüber sich lediglich Pelle so wirklich zu freuen scheint. In der Provinz Hälsingland angekommen, fernab der Zivilisation, erleben die vier naiven US-AmerikanerInnen einen Kulturschock. In strahlendem Sonnenschein werden sie von hübschen und immer lächelnden Schwedinnen in blütenweissen Trachten umgarnt, schmeissen Halluzinogene (Magic Mushrooms o. Ä.) und nehmen mit grossen Augen an Freiluftbanketts und Ritualen teil. Eines dieser Rituale erschüttert die Studierenden dann aber doch nachhaltig, denn nicht nur das Leben läuft bei diesen schwedischen Hippies etwas anders ab, auch der Tod wird hier nach ganz eigenen Regeln vollzogen. 

Lieber langsamer Schrecken als schnelles Erschrecken

Keinen Satans-, sondern einen Sektenkult bemüht Ari Aster in seinem zweiten Kinofilm. Und der ist ein audiovisuelles Meisterstück geworden, mehr noch als sein Erstling. Ganz zu Anfang gibt es etwa eine anbetungswürdige schaurig-intensive Kamerafahrt, die das Ausmass von Danis Familientragödie dokumentiert und den Atem stocken lässt. Eine der wenigen dunklen Szenen des Films. Die darauffolgenden zwei Stunden sind fast ausschliesslich in gleissendes Sonnenlicht getaucht, und bei Odin: Das Konzept geht auf.

Der konstante Taumel durch die Überbelichtung wirkt wie ein Sog, ein paradiesisches Utopia, das irgendwann in einen Fiebertraum umschlägt, dem man nicht mehr entkommen kann. Die konstante Bedrohung und Ahnung der kommenden Grausamkeiten zehrt an den Nerven; das ist wirklicher Horror. Jumpscares oder plumpe Schockeffekte gibt es hier abermals nicht zu sehen, dennoch aber allerhand Grausames, explizit Brutales und Abscheuliches. Midsommar ist nicht in typischem Horrorsinne gruselig, sondern viel schlimmer noch: Der Film ist konstant unangenehm. Ob durch Bilder, Ereignisse oder das Verhalten der Figuren. Diese unheilvolle Atmosphäre ist eine Spezialität Asters. Solch ein Ausnahmekunstwerk in dem Genre, das nicht in artifizieller Selbstgefälligkeit ertrinkt, gibt es selten im Kino.

Ein verlockend tödliches Utopia

Auch wenn nicht viel passiert, schmelzen die Szenen in dem schwedischen Idyll ineinander, die zweieinhalb Stunden vergehen wie im Flug. Neben der superben Kameraarbeit von Pawel Pogorzelski trägt auch das Sounddesign seinen Teil dazu bei. Wenn etwa aus dem Off das Spiel einer Flötengruppe ertönt, dann wandert diese auch wenig später durchs Bild. Die vielfarbigen Stücke hat Bobby Krlic alias The Haxan Cloac komponiert. Der Brite gelangte durch eine andere nordische Connection zu Bekanntheit: Er arbeitete an Björks exzellentem Herzschmerzalbum Vulnicura (2015) mit - in dem sie ebenfalls ihre Trennung verarbeitete, jene vom New Yorker Künstler Matthew Barney. Der Kreis schliesst sich also auch beim Soundtrack.

Bei all dem Lob: Midsommar ist nicht fehlerfrei. Die Charaktere etwa sind nicht gerade komplex gestrickt. Die DarstellerInnen, allen voran die hervorragende Florence Pugh, machen einen ordentlichen Job. Die Story ist an sich wenig überraschend, selbst der Twist am Ende ist ohne prophetisches Filmwissen vorhersehbar. Doch trotz alldem ist auch Ari Asters zweiter Film ein hypnotisches Meisterwerk, dessen Bilder immens, lange und verstörend nachwirken. Selten fühlte man sich nach dem Genuss eines Horrorfilms allein in dunklen Räumen sicherer.

"Midsommar" (USA;SE;HU 2019) Buch und Regie: Ari Aster; Laufzeit: 147 Minuten

 

 

 

 

 




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David Abraham Bueno de Mesquita

David Abraham Bueno de Mesquita: "Sestri Levante, 1931"; Kreide auf Papier auf Karton aufgezogen. D. A. Bueno de Mesquita war ein niederländischer Künstler - hauptsächlich Gemälde und Zeichnungen. Geb.: 23. März 1889 in Amsterdam; gest.: 12. Dezember 1962 in Florenz.

 




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Douglas Volk

Douglas Volk: "Der Junge mit dem Pfeil"; Oel auf Leinwand; 1903 (Smithsonian American Art Museum) Douglas Volk, geb. am 23. Februar 1856 in Pittsfield, Massachusetts; gest. am 07. Februar 1935 in Fryeburg, Maine (USA)




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