Stadtpark Leonberg (D)
Wie schon im Oeschberg-Artikel (Seite 36) erwähnt, jährt sich mein Diplomabschluss an der Kantonalen Fachschule für Garten-, Landschafts- und Obstbau GSO, in Oeschberg/Koppigen (BE), heuer zum 40sten Mal. Anlass genug, um wieder einmal im Archiv zu stöbern, im Jahrbuch von 1984 meinen Artikel über den Stadtpark von Leonberg herauszusuchen und meine Schreiberei von damals hier zum Besten zu geben. Aber zuerst einmal eine kurze Einführung:
Studienreise Fachschule GSO 1983
Wir Schüler der Fachrichtungen Baumschule/Stauden, Produktion und Landschaft hatten im Rahmen des Deutschunterrichtes den Auftrag, in Gruppen eine Reise und Fachdokumentationen zusammenzustellen. Verschiedene Themen wurden uns zur Bearbeitung vorgeschlagen. Eine kleine Auswahl dieser Erlebnisberichte wurde im Jahrbuch GSO 1984 wiedergegeben. Unsere Gruppe Baumschule/Stauden und Landschaft wurde vom vorzüglichen Chauffeur der ehemaligen Firma Dähler Carreisen durch den Schwarzwald über Tübingen nach Stuttgart gefahren, wo der erste Besuch dem botanisch-zoologischen Garten Wilhelma galt. Am anderen Tag wurden wir durch Professor Hans Luz in die Grüne Stadtmitte von Leonberg geführt. Und es war eben mein Thema, die damals aktuelle Situation zu beschreiben - und ich bin heute noch stolz darauf, dass mein Bericht als einziger in ganzer Länge abgedruck wurde; das war nämlich alles andere als selbstverständlich. Ach ja, unser Fachlehrer für Gartenbau und Gartentechnik, Martin Mathys, schaute sich bei unserem Besuch auf der Baustelle des künftigen Stadtparks verzweifelt nach einem Schüler um, der sich mit einer Schreibtafel ausgerüstet, eifrig Notizen machen würde. (Er wusste nicht mehr, wer den Auftrag für den Bericht erhalten hatte). Und mir war eben nicht anzusehen, dass ich mir meine Notizen fortwährend im Kopf abgespeichert hatte. Dafür machte ich eifrig Diapositive, die heute noch vorhanden sind. Aber jetzt geht's hier los:
Der neue Stadtpark von Leonberg
Leonberg liegt etwa 15 km westlich von Stuttgart und zählt 28'000 Einwohner. Sehenswert ist der Stadtkern mit zahlreichen historischen Gebäuden, das Schloss aus dem 16. Jahrhundert und der berühmte Pomeranzengarten. Leonberg gehört zu jenen deutschen Städten, welche während der Hochkonjunkturphase so ziemlich planlos die Landschaften zu überwuchern begann. Erst in den letzten Jahren haben die Behörden einen Zonenplan ausgearbeitet, der die (noch) rege Bautätigkeit zügeln soll. Dieser Plan beinhaltet zudem das Konzept für ein sehr grosszügig angelegtes Stadtzentrum, mit einer Stadthalle für politische und kulturelle Anlässe und einer Realschule - beides im Bau befindlich. Ferner ist noch ein Hotel, eine Sonderschule und ein Kindergarten geplant. Diese Baukörper werden in einem zirka 1 ha grossen Stadtpark miteinbezogen, der teilweise bereits fertig angelegt ist.
Das Vorhandensein eines ausgedienten Gipsbruches inmitten dieser Zone darf heute als "glücklicher Zufall" betrachtet werden, denn dieser anerbot sich in fast idealer Weise zur Umgestaltung in eine innerstädtische Grünanlage mit natürlichem Charakter. Ursprünglich bestand der Steinbruch aus einem nahezu rechteckigen Loch mit Seitenlängen von etwa 75 x 50 Metern und einer durchschnittlichen Tiefe von 10 Metern. Die Felswände fallen zum Teil senkrecht gegen den Grund, auf dem sich mittlerweile ein ansehnlicher Regenwassersee gebildet hat.
Es war denn auch ein Anliegen von Planer Prof. H. Luz und Partner, aus den natürlichen Elementen Wasser und Fels eine gestalterische Eigenart herauszuarbeiten. In der ersten Bauetappe wurden die West- und Teile der Nordseite eingeebnet und so eine weitläufige Wiesenmulde geschaffen, welche die Stadthalle mit dem Park verbindet. Rollstuhlgerechte Hauptwege mit Anschlüssen an das bestehende Wegnetz dienen der Haupterschliessung, während Nebenwege zu den Aufenthaltsbereichen führen (Grillplatz, Aktivitäteninsel u. s. w.). Gleichzeitig nahm man die Modellierung der Seeufer und der Inselchen vor. Die Uferpartien wurden sehr flach gestaltet. Die tiefste Stelle misst denn auch nur 1,50 m. Das Wasser gab den Planern jedoch schon bald zu denken: Da noch keine Wasserpflanzen für eine ausgeglichene Sauerstoffanreicherung sorgen, beginnt es zu faulen und verbreitet dabei einen eher unangenehmen Geruch. Um diesen Mangel zu beheben, musste also eine Umwälzpumpanlage eingebaut werden. Prof. Luz liess sich hierfür einen speziellen "Gag" einfallen: Kurzerhand wurde ein zirka zehn Meter hoher Hügel Vulkankegelartig aufgeschüttet. Auf diesen wird nun das Wasser hinaufgepumpt und fliesst, über zahlreiche Kaskaden stürzend, wieder in den See zurück. Um den zerstörerischen Kräften des fallenden Wassers entgegenzuwirken, wurden für die Gestaltung der Bachläufe und Wasserfälle nebst Kalksteinblöcken viel Beton (sandgestrahlt) verwendet. Es ist jedoch anzunehmen, dass diese Fremdkörper bald einmal von Moos und Algen überwuchert werden. Kostenpunkt für diese eher unkonventionelle Wasseraufbereitung: 1 Mio. Mark!
Ein spiralförmig angelegter Weg, mit Natursteinen gepflästert, führt auf eine Art Aussichts-Plattform auf dem Hügel. Dieser Teil der Anlage präsentiert sich heute in fertig-begrüntem Zustand, während die übrigen Geländeteile erst rohplaniert sind. Bisher aufgewendete Summe für Planiearbeiten: 400'000 DM. Kritik eines Leonbergers: "Es wurde zu viel planiert und umgeformt. Die Kinder hatten früher viel mehr Spiel- und Klettermöglichkeiten. Im See wird bestimmt auch niemand baden, der stinkt trotz der Umwälzpumpe weiter. Und was das alles kostet; für die Bepflanzung haben sie nachher sicher kein Geld mehr!" Die zuletzt genannte Kritik scheint am ehesten berechtigt zu sein, weil die ebenfalls Millionen verschlingende Mehrzweck-Stadthalle gegen den Willen der Leonberger Bürger gebaut wird. Grund: Als die Abstimmungsvorlage endlich vors Volk kam, war das Gebäude im Rohbau bereits fertiggestellt. Trotzdem ist es zu bezweifeln, dass den Leonbergern das nötige Kleingeld ausgeht; ein weiterer Kredit von 400'000 DM ist bereits zugesichert worden!
Die zweite Bauetappe umfasst das Anlegen von weiteren Hauptwegen, u. a. ein rundumführender Weg der Steinbruchkante entlang mit bastionsartigen Aussichtsterrassen. Weitere Sitz- und Aufenthaltsplätze an Ufer- und Hangzonen werden angelegt. Die obere Steinbruchkante wird entschärft und durch einen Schutzzaun und Bepflanzung abgesichert. Die Steilhänge werden durch Hydrosaat und Bepflanzung vor Erosion geschützt.
Ein wesentliches Detail: Um den Interessen der Hobby-Angler und Naturschützer Rechnung zu tragen, muss der See in zwei Zonen aufgeteilt werden: Eine für Nutzfische und eine als Schutzgebiet für Amphibien (u. a. Wechselkröten). Bekanntlich kommen jene Tiergruppen miteinander nicht so gut aus. Die Trennung soll mit wasserdurchlässigen Steinkörben - im Deutschen "Gabionen" genannt - geschaffen werden, die bis an die Wasserlinie reichen. Hoffentlich gelingt dieses Experiment. Die Schutzzone mit dem angrenzenden Steilhang, welcher im derzeitigen Zustand erhalten bleibt, wird gänzlich gegen Parkbesucher abgesperrt.
Bepflanzung: Nach Prof. Luz sollen die den Park umgebenden Strassen als Alleen angelegt werden, teilweise auch nur einseitig bepflanzt. Einzelne Baumgruppen werden markante Punkte setzen, z. B. auf den Hügeln. Eine der dringendsten Aufgaben dürfte das Bepflanzen der rutschgefährdeten Hänge sein. Die Parkplätze bei der Stadthalle werden mit Schutzpflanzungen versehen, und schliesslich sollen die Seeufer und Inselchen mit Gehölzen und Stauden naturnah begrünt werden. Bis die gesamte Anlage soweit fertiggestellt ist, werden wohl noch einige Jahre vergehen, aber man darf heute schon auf das Endergebnis gespannt sein: Leonbergs grüne Stadtmitte.
Anmerkung: ein aktueller Besuch des Parks meinerseits steht noch aus. Die Farbbilder jedoch zeigen die Anlage realitätsnah, also im heutigen aktuellen Zustand. Eine Ausnahme macht das letzte Foto dieser Serie (oben): Es zeigt den Park wohl kurz nach der Fertigstellung, also zirka 1985. (Interessant: ein Vergleich mit dem ersten Bild)
Text: Robert Stephan Bolli; Fotos: div. Autoren und Leonberg Tourismus (sorry, meine Dias von damals habe ich noch nicht auf Festplatte gebeamt!)
Publiziert am 04. Februar 2024
0 Kommentare bisher