Die neue Stadthausfassade mit ihren grossen Reliefbildern ist unübersehbar. Am Mittwoch (15. Mai 2024) sprach der in Schaffhausen aufgewachsene Künstler Ives Netzhammer über sein Werk "Tauben rauben Trauben" - dessen Ausdeutung er lieber anderen überlässt.
Spaziert man in diesen Tagen der Stadthausgasse entlang, wird das Auge von zwei Objekten mächtig angezogen. Zum einen ist da das Mansardendach auf dem Hause Eckstein, das sich, überaus markant, nicht nur von hier aus in die Netzhaut brennt; daneben fällt der Blick auf die Fassade des entstehenden Stadthauses. Auf elf quadratischen Platten hat der Künstler Yves Netzhammer verschiedene Sujets in den Beton meisseln lassen. Einige davon erlauben auch eiligen Passanten eine Interpretation, erscheinen als Fuss, Hand oder Auge; andere verlangen, abstrakt gehalten, für eine erste Deutung eine Pause uns etwas mehr Fantasie.
Obschon die Motive sprichwörtlich in Stein gemeisselt wurden, erscheint hier alles im Fluss: Mit fortgesetzten Linien oder gespiegelten Motiven nehmen die Platten Bezug aufeinander und laden zu einer Wanderung in die Zeichenwelt des Künstlers ein: Ein Schmetterling mit Büroklammer-Körper schwebt (trotzdem luftig-leicht) in Richtung eines Apfels, dessen Blatt deutet auf einen Vogel, der mit seinem Flügel wiederum jenes Blatt zu imitieren scheint - und schon ist man über die ganze Fassade gewandert.
Am Mittwoch fand sich der Künstler Netzhammer zu einem Gespräch mit Katharina Epprecht ein, ihres Zeichens Noch-Direktorin Museum zu Allerheiligen und Jurymitglied. Vor der Fassade des Stadthauses sprachen die beiden über sein Werk, das eine Jury aus 150 Bewerbungen ausgewählt hat. Kleine Rückblende: 2021 schrieb die Stadt Schaffhausen den Ideenwettbewerb "Kunst am Bau" für die Gestaltung des Stadthauses aus, im November und Dezember 2023 wurden die vorgefertigten Betonelemente angeliefert und montiert. Der Steinmetz Linus Wettstein hat die Zeichnungen des in Schaffhausen aufgewachsenen Künstlers schliesslich in schweisstreibender Handarbeit gemeisselt.
Epprecht war voll des Lobes für das Werk: "Selbstbewusst, präzis und professionell", stelle es sich dar, um gleichzeitig "lyrisch, poetisch und tänzerisch" zu wirken. "Eine faszinierende Vereinigung von Gegensätzen, ein visueller Lustgarten." Sie erinnerte daran, dass die Fassade im Gegensatz zu anderen Kunstwerken auch Repräsentationscharakter habe. Immerhin handle es sich hier um ein wichtiges Gebäude mitten im Zentrum der Stadt. "Jeder und jede wird einmal hierhin kommen und sich an diese Fassade erinnern."
Der Künstler selbst, der sonst eher für seine computerbasierten Animationen bekannt ist - für bewegte und mit Zeit arbeitende Kunst - glaubte seine eigenen Ansprüche an sich selbst in den Vordergrund stellen zu müssen. "Ich wollte meinen Suchbewegungen doch treu bleiben und versuchte so genau, so geistreich und empathisch wie möglich mit dieser Zeigemöglichkeit umzugehen." Dabei habe er die Umgebung des Stadthauses aber natürlich in seine Gedanken- und Bilderwelt mit einbezogen.
Gefragt nach der Bedeutung der Fassade, wollte sich Netzhammer nicht auf eine Interpretation festzurren lassen. Jedenfalls habe er nicht nur die Funktionen eines Stadthauses illustrieren wollen. "Das wäre ganz langweilig und würde uns innert kürzester Zeit nicht mehr interessieren." Vielmehr habe er mit seinem Bildprogramm der Statik des Hauses einen beschwingten Charakter verleihen und bei Passanten eine lange Kette an Assoziationen auslösen wollen. Seine Bildwelten seien bewusst mehrdeutig und erlaubten eine immer wieder neue Art der Auseinandersetzung. "Man darf sich darüber freuen, darüber wundern, Dinge später verstehen oder auch gar nicht. Ich bin ein grosser Befürworter des Rätsels."
Für den Innenraum des Stadthauses ist ein Werk in gleicher Grösse geplant und von Netzhammer bereits konzipiert, das die Bildgeschichten von draussen im gleichen Stil weitererzählen soll. Ebenfalls, so deuteten die Verantwortlichen mehrfach an, könnte der Brunnen vor dem Stadthaus in den Bild- und Zeigekosmos von Netzhammer mit einbezogen werden. Das Dach, das gleichsam über seiner Kunst thront, stört ihn nicht. Ganz im Gegenteil: Er sei begeistert davon. Zum äusseren Erscheinungsbild meint er: "Ich finde es sehr zurückhaltend." Ausserdem sei es ideenreich. "Wenn mir jemand auf diese Art etwas Neues erzählen kann, zum Beispiel im Umgang mit diesen Ziegeln, finde ich das grandios."
Text: Tobias Bolli in den Schaffhauser Nachrichten; Eingangsfoto: Robert Bolli; Foto oben: Michael Kessler
Publiziert am 17. Mai 2024
0 Kommentare bisher
Aus der antiken Welt der Botanik (I)
Inula glandulosa, Drüsen-Alant, Max Hesdörffer, Die schönsten Stauden, Berlin 1901
Primula auricula, Aurikel, aus The Florist, Fruitist, and Garden Miscellany (Bd. I) 1852
Dendrobium nobile, Orchidee, Thomas Moore, The Orchid Album, (Bd. V, London 1886)
Iris germanica, Schwertlilie, Pierre Joseph Redouté: Les Liliacées, Paris 1802-1816
Pelargonium 'Schreibersianum', Storchenschnabel, Leopold Trattinick, Neue Arten von Pelargonium, (Bd. III, Wien 1828)
Papaver orientale, Türkenmohn, Johann Georg Knorr, Regnum Florae, Nürnberg 1750
0 Kommentare bisher
Cornelia Schleime: Herzufer
Cornelia Schleime: Herzufer (1998-2001); Acryl, Asphaltlack und Schellack auf Leinwand; 200 x 160 cm. Leihgabe der Künstlerin an das museum franz gertsch, Burgdorf.
0 Kommentare bisher
Pierre Joubert, Illustrator
Hier eine kleine Auswahl von Indianerbildern des legendären französischen Buchillustrators.
0 Kommentare bisher
Die Dampflokomotiven der ehem. Museumsbahn Wutachtal
In einem früheren Beitrag (siehe "Vintage Pic" Seite 22) habe ich ein Bild veröffentlicht, das die Lokomotive BR 50 2988 mit einem Sonderzug der EUROVAPOR, auf der OeBB-Strecke bei Balsthal zeigt. Dabei ist von euch gelegentlich der Wunsch geäussert worden, weitere Bilder der berühmten Museumseisenbahn im Wutachtal - im Volksmund auch als Sauschwänzlebahn bekannt - zu veröffentlichen. Wie ich bereits damals erklärt habe, ist es nach wie vor kein Hauptbestandteil dieses Blogs, Industrie oder Technik bzw. deren Geschichte zu behandeln. Als langjähriges Mitglied des ehemaligen Vereins Museumsbahn Wutachtal (WTB) - zuerst als Mitarbeiter, dann als Heizer, später als Zugführer/Schaffner - mache ich hier eine kleine Ausnahme und zeige in loser Folge Bilder aus dem damaligen Betrieb. Beginnen möchte ich mit ein paar Aufnahmen der Dampflokomotiven, die seinerzeit im BW Fützen beheimatet waren.
Zu den öfters eingesetzten Zugpferden der Museumsbahn gehörte zweifellos die BR 93-1378, eine Tenderlok mit der Achsfolge 1-D-1. Sie verliess im Jahre 1939 die Lokomotivfabrik Wien-Floridsdorf, war zuletzt im ÖBB-Depot St.Veit an der Glan beheimatet und erreichte ums Jahr 1978 über mehrere Umwege das Wutachtal.Die Fotos oben zeigen die Lok beim Wasserfassen im Bahnhof Weizen. Als Besonderheit verfügte die 93-1378 über eine Ventilsteuerung, im Gegensatz zu ihrer baugleichen Schwestermaschine der BR 93-1394 mit einer herkömmlichen Schiebersteuerung. (Bilder unten)
Die 1-D-1 Tenderlokomotive der BR 93-1394 (Baujahr 1939; Wien-Floridsdorf), bei der Bekohlung im BW Fützen. Der Heizerlehrling Martin Fluck hilft am Kohlekran dem altgedienten Lokführer Thomas Lexer (auf dem Führerhaus stehend). Leider brachte diese ebenfalls formschöne Maschine nicht immer die geforderten Leistungen, galt es doch oftmals, einen vollbesetzten 8-Wagen-Zug auf der Bergfahrt von Weizen nach Blumberg hochzuschleppen. Daher schied sie bereits in den 90er-Jahren aus den Diensten der WTB und wurde ins Kandertal (Baden), zur dortigen Museumsbahn überführt.
Die Kleinlok E 2/2 Nr. 1 "Laufenburg" (Maschinenfabrik Esslingen; 1928) war ursprünglich als Werksbahnlok im Kraftwerk Laufenburg stationiert. Nach der Ausmusterung befand sie sich zuletzt in Privatbesitz und wurde als Dauerleihgabe zur Instandhaltung und für fakultative Dienste (Gesellschaftsfahrten) an die WTB übergeben. Das vom Bahnpersonal liebevoll "Teekocherli" genannte Fahrzeug erwies sich allerdings als wenig geeignet für den "rauhen" Betrieb auf der WTB, weshalb dessen Aufenthalt im Lokschuppen beinahe zur Regel wurde. (Bild oben: die E 2/2 "Laufenburg" in Blumberg).
Das Paradepferd der Museumsbahn und absoluter Publikumsmagnet bis zur Auflösung des Vereins WTB im Jahre 2014, blieb stets die wuchtige und zugleich formschöne Güterzug-Schlepptenderlokomotive der Baureihe 50-2988. Die im Jahre 1942 in Wien-Floridsdorf erbaute Maschine erwies sich aufgrund ihres Dienstgewichtes von nur 130 Tonnen und der Achsfolge 1-E als ideales Zugfahrzeug auf der Museumsbahnstrecke mit ihren zahlreichen filigranen Stahlträgerviadukten. Die robuste Maschine hatte keinerlei Schwierigkeiten, selbst einen 14-Wagen-Zug - besetzt mit 600 Fahrgästen (!) - nach Blumberg zu befördern. Als saisonale Highlights auf der Museumsbahnstrecke, galten jeweils die vom ehemaligen Reisebüro Mittelthurgau (vormals MThB) organisierten und mit eigenem Original-Wagenmaterial durchgeführten Orient-Express-Sonderfahrten. Die von einer ebenfalls betagten Diesellok (meistens eine DB V-100) gezogene Komposition wurde, von Waldshut herkommend, im WTB-Bahnhof Weizen umbespannt, wobei in der Regel und vorzugshalber die 50-2988 an der Zugspitze zu Ehren kam, während die Dieselmaschine als Schublok diente. Ein Orient-Express-Wagen in genieteter Stahlbauweise brachte schon mal ein Gewicht von rund 80 Tonnen auf die Waage. Der gesamte Orient-Express umfasste 10 bis 12 Wagen, je nach Fahrgastaufkommen. (Bild oben: 50-2988 beim Umsetzen in Weizen).
Die 50-2988 bei der Einfahrt in Zollhaus-Blumberg Fotos: Robert Bolli