Robert Stephan Bolli

Ticino pittoresco

Giumaglio-Someo (Valle Maggia); 1920                                                       Foto: H. Meisser, Zürich




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KZ Ebensee (Oberösterreich)

Tja, liebe Freunde, das hat man davon, wenn man sich zur Urlaubszeit für  zwei Wochen im "hässlichsten Dorf Österreichs" (gemäss Baedeker) niederlässt und die Witterung alles andere verspricht als hochsommerliche Temperaturen und Sonnenschein im Überfluss. Wenn es regnet, dann wie aus Kübeln, bei Trockenheit bläst ein heftiger Wind, der eher an eine Bise erinnert. Eigentlich richtiges Fondue-Wetter, und dass der ADEG-Discount sogar Glühwein verkauft, hebt auch nicht gerade die Stimmung. Wie auch immer, dann geht man eben vermehrt den Indooraktivitäten nach und lässt den Badestrand - zwar schweren Herzens - links liegen. Dass das oberösterreichische Salzkammergut mit dem "Hauptort" Bad Ischl heuer zur "Unesco-Kulturhauptstadt" auserkoren wurde, erfuhren wir erst nach und nach, und wir wurden in keiner Weise enttäuscht. Das kulturelle Angebot mit Konzerten, Museen, Ausstellungen und vielerlei mehr ist fast erdrückend riesig. Kommt dazu, dass die Anlässe auf alle grösseren Gemeinden des Salzkammergutes verteilt sind, also Bad Ischl, Gmunden, Hallstatt oder eben: Ebensee am Traunsee.

Der Ort ist also tatsächlich keine Augenweide. Daran ändert sich auch nichts, wenn man marode Industriegebäude plattwalzt und - relativ konzeptlos - neue Gewerbebauten, Supermärkte oder Freizeiteinrichtungen hinstellt. Das Dorf mit seinen zirka 7'000 Einwohnern hat keine glorreiche Vergangenheit. Die Gründung geht gemäss einer kaiserlichen Urkunde auf das Jahr 1604 zurück, als Rudolf II den Bau einer neuen Saline in der Traunebene realisierte. Reiche Salzvorkommen bei Hallstatt machten es erforderlich, die Salzproduktion mittels Salinen, auf ebener Fläche anzusiedeln, vorzugsweise -  für die Verschiffung des fertigen Salzes - in Ufernähe eines Sees. Die Traunebene im Mündungsgebiet des gleichnamigen Sees sowie die waldreichen Berghänge anerboten sich dafür in idealer Weise, benötigten die Sudhäuser doch einen immensen Bedarf an Brennholz, das andernorts bald einmal knapp wurde. Das Salz-Wasser-Gemisch (Sole genannt),  wurde aus Hallstatt durch eine 42 Km lange Pipeline nach Ebensee transportiert. Die Rohre bestanden ursprünglich aus Kiefernstämmen, deren Kernholz ausgebohrt wurde. Erst in der Neuzeit wurde das Holz durch Kunststoffrohre ersetzt. Im Laufe der Jahrzehnte siedelten sich weitere Industriebetriebe im Talgrund an, wie zum Beispiel die Solvay-Werke (Ammoniak-Sodafabrik), ein Steinbruch, ein Zementwerk und eine Weberei. Ausgedehnte Gleisanlagen zu den Industrien durchschneiden noch heute das gesamte Siedlungsgebiet von Ebensee. Der Ort verfügte zu seiner Blütezeit über drei Bahnhöfe und Quaianlagen für den Warenumschlag.

Möglicherweise war gerade diese immense Ansammlung industrieller Komplexe auf vergleichsweise engem Raum, verbunden mit der gesteigerten Nachfrage nach billigen Arbeitskräften, ausschlaggebend für die Errichtung eines Konzentrationslagers auf dem Gemeindegebiet von Ebensee im Jahre 1943.

Das Nebenlager Ebensee - als Aussenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen - wurde auf Befehl Hitlers erbaut, nachdem in der Nacht vom 17. auf den 18. August 1943 die wichtigsten Produktionsstätten für die V2-Raketen durch britische Luftangriffe auf die Heeresversuchsanstalt Peenemünde zerstört worden waren. Hitler verlangte von seinem Rüstungs-minister Speer, dass die Werkstätten in unterirdische Stollen verlegt werden sollten. Das Fertigungswerk und weitere Anlagen sollten daher aus Peenemünde verlagert werden. Im September erhielt Kammler den Auftrag für eine Stollenanlage bei Ebensee für das Peenemünder Raketen-Entwicklungswerk. Der Rüstungsrat beschloss, dafür Tunnel oberhalb des Traunsees anlegen zu lassen. Als Arbeitskräfte sollten Tausende von KZ-Häftlingen eingesetzt werden.

Am 8. November 1943 wurden die ersten Häftlinge in die Nähe der Ortschaft Ebensee verlegt, um Häftlings- und Werkstättenbaracken zu bauen. Als Tarnnamen für diese KZ-Anlagen wurde "Zement" gewählt. Die Häftlinge mussten innerhalb kürzester Zeit die Stollen bis zu 250 Meter in den Berg treiben. Das gesamte Stollensystem war durch ein Schienensystem untereinander verbunden. Da sich bei den Arbeiten jedoch immer wieder Verzögerungen ergaben, wurde im Sommer 1944 der Plan, das Raketen-Entwicklungswerk von Peenemünde in die Alpen zu verlagern, fallengelassen. Stattdessenentschied man im Rüstungsministerium, die unterirdische Anlage in Ebensee zur Produktion des Aggregats 9 (A9) sowie von technischen Bauteilen für Panzer und für eine Raffinerie zu nutzen. Ende 1944 wurde mit dem Bau der Schmierölraffinerieanlage begonnen, die dann auch im Februar 1945 die Produktion aufnahm. Im Frühjahr 1945 wurden in der Anlage B noch Motoren für Panzer und Flugzeuge hergestellt.

In der Zeit von November 1943 bis Mai 1945 starben im KZ Ebensee 8'745 Häftlinge. Ende April 1945 gab es 18'437 Häftlinge in Ebensee. Einen Tag vor der Befreiung des Lagers, am 5. Mai 1945, versuchte der Lagerkommandant noch, die Häftlinge in die Stollen zu treiben und diese anschliessend zu sprengen. Sie leisteten allerdings so starken Widerstand, dass der Lagerkommandant das Vorhaben fallen liess. Am 6. Mai 1945 wurde das Lager Ebensee von Infanteriesoldaten einer Division der 3. US-Armee befreit.

KZ-Gedenkstätte mit den in Glasstelen eingravierten Namen der 8'745 ermordeten Häftlinge.

Der ehemalige Lagereingang, heute Zufahrt in ein Einfamilienhaus-Quartier.

KZ-Gedenkstätte. Innerhalb der Steinumrandungen befinden sich die Massengräber mit bis zu 1'000 Toten.

Das Grabmal für die italienischen Opfer, 1947 auf privater Veranlassung und Finanzierung erstellt.

Dieses Grabmal erinnert an die Opfer Tschechiens.

Eine der Steintreppen des sog. "Löwenganges". Der Löwengang war der zirka 1 Km lange Fussweg vom Lager zu den Stollen, den die Häftlinge täglich zu gehen hatten. Um Wachtpersonal einzusparen, beschloss die Lagerleitung, den ehemals 4 Meter breiten Weg beidseitig mit hohen Stacheldrahtzäunen einzufassen. Die Häftlinge fühlten sich daher wie Zirkuslöwen auf dem Weg in die Manege und benannten den Pfad als "Löwengang". Die freigelegte und zum Teil wiederhergestellte Steintreppe gehört zur Gedenkstätte. Für die völlig unterernährten und mangelhaft bekleideten Arbeiter glich der Weg zu den Baustellen einer wahren Tortur. Manch einer der Häftlinge war derart geschwächt, dass er bereits während dem Aufstieg auf der Treppe zusammenbrach.

Zugang zu dem Stollen, der für Besucher geöffnet ist. Um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten, wird für den Unterhalt der Anlagen eine bescheidene Eintrittsgebühr von 3.-- Euro verlangt.

Einer der vielen unvollendet gebliebenen Stollen.

Wo sind wir jetzt?

Die japanische Künstlerin Chiharu Shiota beschäftigt sich in ihren Installationen mit Themen und Kontexten der menschlichen Existenz. Im Stollen des ehemaligen Konzentrationslagers schafft die Künstlerin eine Installation bestehend aus roten Fäden und 25 überlebensgrossen Kleidern.

Chiharu Shiota setzt sich in ihrer Arbeit damit auseinander, wie man mit Alltagsgegenständen die Erinnerung an die Existenz ihrer Besitzer zum Ausdruck bringt. Diese Erinnerungen versucht Shiota zu begreifen, indem sie gewöhnliche Gegenstände wie Schuhe, Schlüssel, Betten, Stühle und Kleider sammelt und sie in Fadenstrukturen verknüpft. Für sie ist Kleidung eine zweite Haut, die uns Schutz bietet, aber uns auch die Möglichkeit bietet, Normen zu entsprechen. Unser Inneres beinhaltet Eigenschaften, die wir uns nicht ausgesucht haben. Familie, Religion, Kultur, all das sind die Grenzen, innerhalb derer wir uns bewegen oder entscheiden sie zu durchbrechen. In der Installation sind die Kleider zwischen roten Fäden gefangen, die wie ein Nebel die Figuren verschleiern. Ein Erkennen und Erfühlen, das Besuchern Raum für die eigene Interpretation lässt. Die Installation schafft ein Gefühl von "Anwesenheit in Abwesenheit".  

Das Lager im Mai 1945

 

Ebensee am Traunsee (Oberösterreich), 2. Juli 2024                        Fotos: Robert Bolli

 




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Duncan Grant

Duncan Grant: Bildnis des Paul Roche (Öl auf Tafel, 1952)




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Les Enfants de Papier 1984

Les Enfants de Papier lautet der Titel eines Fotobandes des französischen Fotografen Jean-Pierre Negrepont, dessen Erstauflage bereits 1980 erschienen ist. Negrepont hatte in den 1980er Jahren mehrere Bücher zum Thema "Kindheit" im Selbstverlag veröffentlicht, wie zum Beispiel Mercredi Après-Midi (1983) und Devoirs de Vacances (1986). Nun also Les Enfants de Papier, das 1984 in einer kleinen Neuauflage herausgegeben wurde. Die Bücher sind längst vergriffen und haben einen hohen Sammlerwert, oft im höheren vierstelligen Bereich. Auch wenn wenig bis gar nichts über Negrepont bekannt ist, zeigt sein Werk, das zur Hauptsache Jungen und Mädchen beinhaltet, dass er zu den talentiertesten Fotografen seiner Zeit zählte. Seine besten Fotografien sind vielleicht die, die er auf der Strasse aufgenommen hat, mit interessanten, spannungsreichen Rahmen oder poetische Arrangements von Motiven, die an Josef Koudelka erinnern. Seine Aktfotos in Innenräumen vom Typ Will McBride stehen ihm in nichts nach, aber seine Aktfotos im Freien gelten oft als klischeehaft oder kitschig. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Publiziert am 15. Juni 2024




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Marco

"Marco", 1959




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